Autorin: Nikki Henderson
Die Outremer Week findet zweimal im Jahr in La Grande Motte statt. Sie wird vom Outremer-Team organisiert und besteht aus fünf Schulungstagen für zukünftige Eigner. Direkt im Anschluss findet meistens der Outremer Cup statt, ein Regatta-Wochenende, das viele Eigner begeistert. Sie wollen herausfinden, wie sie sich selbst, aber auch ihre Outremer in einer kompetitiven Umgebung machen.
Ich warte schon lange sehnsüchtig darauf einen Artikel über diese jährlichen Veranstaltungen zu schreiben.
Sie fragen sich bestimmt „warum freut sie sich bloß so sehr über eine Schulungswoche in La Grande-Motte zu schreiben?“
Einen Outremer zu kaufen ist vor allem ein Erlebnis. Obwohl jeder Katamaran aus identischen Rumpfformen hergestellt wird, ist das gelieferte Boot einzigartig und das Ergebnis der Entscheidungen und Bedürfnisse eines jeden Eigners.
Trotzdem handelt es sich nicht um eine „Superyachtenfabrik“. Es ist nicht die Anzahl der Fäden eines Kissens, die Größe der Sonnendecks oder etwa die Ausstattung des Badezimmers, die es zu einem einzigartigen Boot machen, sondern eher die spezifische Gestaltung des Katamarans für Langfahrten. Outremer ist nicht nur ein einfacher Bootsbauer. Sie bauen ein richtiges „Zuhause“: einen einzigartigen Ort, an dem man sich wohl und sicher fühlt. Jedes Boot wird an das Projekt des jeweiligen Eigners angepasst, sei es, um einen Arbeitsort daraus zu machen (sollten wir ein neues Akronym erfinden? → AAB für Arbeit an Bord?), einen familienfreundlichen Ort mit spezifischen Verstauungsmöglichkeiten (Tauchausrüstung, Surfbrett, Fahrräder usw.) oder etwa ein Boot, das darauf ausgerichtet ist, Gäste zu empfangen. Und natürlich muss es sicher und effizient bis in die abgeschiedensten Orte der Welt segeln können.
Jeder kann ein Boot bauen, aber ein Boot in sein Zuhause zu verwandeln, ist keine so einfache Aufgabe. Es erfordert ein gewisses „Je-ne-sais-quoi“, das meiner Meinung nach Outremers Hauptargument beim Verkauf und der Grund ihres Erfolgs ist. Dieses gewisse Etwas ist eine Kultur, die Gemeinschaft, Nähe und Familie schätzt.
Ursprünglich war Outremer ein Familienunternehmen.
Dieser „Familien“-Wert ist es, was die Gesellschaft schon seit Jahren zusammenhält. Das 40-jährige Firmenschild hängt übrigens immer noch über der allerersten Fabrik. Matthieu, einer der ältesten Angestellten, lebt praktisch in den Outremerbüros, hauptsächlich aus eigener Initiative und nicht nur, weil er es muss. Das gesamte Führungsteam verbringt seinen Urlaub immer mit der Familie segelnd auf den selbstgebauten Booten. Diese Verhaltensweisen tragen zur Kultur bei, die Outremer so wichtig ist. Es wird interessant sein zu sehen, wie das Unternehmen diese Nähe im Laufe seines Wachstums und seiner Expansion bewahren wird.
Genauso wie es falsch wäre davon auszugehen, dass Outremer nur ein Katamaranhersteller ist, genauso reduktionistisch wäre es die Outremer Week als simple Schulungswoche anzusehen. Wie es oft der Fall ist bei solchen Events, gibt es immer mehr als das, was an der Oberfläche zu sehen ist. Im Laufe der letzten drei Jahre ist mir aufgefallen, dass solche Veranstaltungen wirklich der Grundstein sind, der es uns ermöglicht diese Vertrautheit zwischen Firma und Eigner zu pflegen. Die Schulungen sind ein Plus, aber der eigentliche Grund mitzumachen, ist es dieses tiefgehendere „gewisse Etwas“ zu erleben und Teil der Outremer-Familie zu werden.
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Schulungen nicht wichtig sind (sie sind sogar unentbehrlich!). Wie die anderen Skipper verbringe ich die meiste Zeit der Schulungswoche auf See. Jeden Tag treffen wir ungefähr fünf Eigner und deren Familienmitglieder bei Kaffee und Croissants. Danach begeben wir uns auf die unterschiedlichen Boote am Steg und stechen für einen Schulungstag in See. Üblicherweise verläuft der Tag von 8:30 Uhr bis 17:30 Uhr.
Wir sprechen alle Themen an, vom Manövrieren der Outremers im Hafen und an den verschiedenen Kais, bis hin zum Segelwechsel, dem Spinnaker-Training, das Ankern und das Segeln selbst. Die Liste ist unendlich lang. Klar können wir nicht alles an einem Tag machen. Deshalb konzentrieren wir uns oft auf ein, zwei Hauptthemen. Natürlich gibt es unterschiedliche Stile unter den Skippern. Ich höre oft, dass es bezüglich der Dauer der Mittagspause einen großen Unterschied zwischen den französischen und angelsächsischen Skippern gibt! Aber Spaß beiseite, diese unterschiedlichen Stile sind für die Schülerinnen und Schüler von Vorteil. Im Laufe meiner Karriere hatte ich die Gelegenheit mit zahlreichen Seglern und Skippern zu segeln und verschiedene Techniken und Vorgehensweisen von ihnen zu lernen. Das Schöne am Segeln (und was manchmal für Anfänger etwas irritierend sein kann) ist, dass es oft mehr als nur einen Weg gibt, um Dinge anzugehen. Segeln zu lernen ist also, seine „Werkzeugkiste“ (als Metapher) mit unterschiedlichen Werkzeugen zu füllen, die man im Laufe der Erfahrungen auf See erworben hat. Nehmen Sie was Ihnen gefällt und lassen Sie, was Sie nicht mögen, weg. Mit der Zeit werden Sie Ihren eigenen Stil finden.
Währenddessen teilen sich die restlichen an Land gebliebenen Teilnehmer der Outremer Week in den unterschiedlichen Klassenräumen auf. Alle schwärmen davon, aber ich habe gehört, dass der Meteorologie Kurs ein absolutes Muss ist. Es gibt vom Telemedizin-Anbieter M.S.O.S. organisierte medizinische Kurse, Kurse zur Wartung von Dieselmotoren, über Strom, Navigationsinstrumente, Kurse zum Thema Rigg und Spleiße, und bestimmt noch einige andere, die ich vergessen habe.
Es hat etwas Magisches, wenn sie Hunderte von Menschen, die auf ein und dasselbe Ziel hinarbeiten, am gleichen Ort versammeln. Wenn dieses Ziel ein gemeinsamer Traum ist, der vom Herzen kommt, ist die Magie berauschend. Outremer hat es geschafft eine Marke aufzubauen, die auf einen besonderen Nischenmarkt abzielt: Anwärter auf „echte“, familienorientierte Langfahrten. Die meisten zukünftigen Eigner planen auf ihrem Boot zu leben, zumindest teilweise. Das bedeutet, dass sie nicht nur auf ein Urlaubs- oder ein Nebenprojekt hinarbeiten, sondern auch für etwas, das ihr Leben komplett umkrempeln wird.
Diese gemeinsame Leidenschaft und Sehnsucht die Segel zu streichen, vereint nicht nur, sondern animiert auch die Teilnehmer der Outremer Week.
Den ganzen Tag lang hatte ich Vergnügen daran, mir die Geschichten jedes Einzelnen anzuhören: „Welches Boot werden Sie wählen?“ „Was ist dein Projekt?“ „Wir verkaufen auch unser Haus!“ „Werdet ihr einen Hund haben?“ „Welche Route folgt ihr?“ „Vielleicht sollten wir als Flotte segeln?“ „Schließt euch unserer Rallye an!“
Nach der ersten Aufregung dutzende Personen zu treffen, die dieselben Ideen teilen, entstehen wahre Freundschaften. Jeden Abend trafen sich Gruppen quasi unbekannter Menschen in La Grande-Motte beim Abendessen, als würden sie sich schon jahrelang kennen. Letzten September hatten mich neue Freunde und werdende Eigner freundlicherweise zum Abendessen eingeladen – eine willkommene Abwechslung angesichts meiner üblichen Mahlzeiten aus der Mikrowelle, ganz allein in meiner Mietwohnung. Was als ein Abendessen zu dritt begonnen hatte, erweiterte sich mit zwei Kindern, einem weiteren Paar, einem anderen Freund, der ohne seine Frau da war. Und als wir das Restaurant betraten, trafen wir auf einen weiteren zukünftigen Eigner, der sich zu unserem Tisch gesellt hatte. Ihm wurde klar, dass die Pizza zum Mitnehmen besser schmeckte, wenn man sie teilt. Auf einmal waren wir zu neunt!
Diese inklusive Atmosphäre zwischen Eignern steht im Einklang mit der Veranstaltung selbst, die zwei überschneiden sich sogar. Oft treffen sich Outremers Angestellte mit den werdenden Eignern, sei es am Morgen bei einem Kaffee oder abends bei einem Aperitif. Jeder, vom CEO bis hin zum Praktikanten, nimmt irgendwann daran teil. Es ist wie, wenn ein Boot zu Wasser gelassen wird und Maler, Schreiner, Elektriker, Ingenieure, Bootsdesigner und Projektleiter sich gemeinsam daran erfreuen ihr Werk schwimmen zu sehen. Die Grenze zwischen „Kunde“ und „Verkäufer“ beginnt zu verwischen.
Wenn Sie also noch zögern an einer Outremer Week teilzunehmen, während Sie die Lieferung Ihres Outremer-Katamarans vorbereiten, kann ich Sie nur dazu ermutigen diesen Schritt zu wagen. Sie müssen aber aus den richtigen Gründen kommen. Ja, Sie werden sich weiterbilden und trainieren. Aber diese Woche kann Ihnen noch viel mehr bringen. Genießen Sie ein Glas Rosé nach dem Kurs, knüpfen Sie Kontakte mit anderen zukünftigen Eignern, vergessen Sie nicht ebenfalls das Outremer-Team kennenzulernen und tauchen Sie in diese Community ein. Es ist wunderbar Teil von etwas zu sein, das größer ist als wir selbst, egal ob man Kunde, Unternehmer oder Geschäftsführer ist.
Ich warte schon sehnsüchtig auf die nächste Edition, wenn ich nach La Grande Motte zurückkehren werde. Ich weiß nun, dass ich dort eine sonderbar paradoxe Mischung aus fragwürdiger Betonarchitektur und einem warmen Gefühl der Verbundenheit finden werde.