Autorin: Nikki Henderson

 

Im letzten Frühling, am Tag vor der Ankunft der Fastnet und einen Monat vor Beginn der Outremer Cup, hatte ich Regattas wieder auf meinem Radar. Für diejenigen unter euch, die jetzt kurz davor sind, den Artikel nicht weiterzulesen, weil Rennen nicht ihr Ding sind, wartet noch kurz. Ich werde Sie (oder mich) nicht mit 1500 Wörtern über Rennstrategien, Segelmaterial und Rumpfformen langweilen.

Die Leute sagen mir oft Sätze, wie: „Ich bin mir sicher, dass du während einer Langfahrt keine Sekunde ruhig sitzen bleiben kannst. Du bist doch ein Rennliebhaberin“.

Ich lächele und antworte: „Du wärst überrascht. Mit einem guten Buch, einem gut eingestellten Segel, klarem Himmel und einer netten Besatzung bin ich so entspannt wie jeder andere“.

Die meisten meiner Regattasegler-Freunde machen in den Ferien auf irgendeine Art und Weise Langfahrten: Sei es, um über Weihnachten in den Antillen zu flanieren, oder um sonnige Tage in den Norfolk Broads zu verbringen.

Wenn also wir, Regattasegler, auf Langfahrt gehen, könnten theoretisch auch Blauwassersegler an Regattas teilnehmen? Die Antwort lautet ja! Ich würde sagen, dass jeder Langfahrtliebhaber, Tages- oder Wochenendsegler, egal welche Etikette Ihnen lieber ist, wirklich von der Erfahrung einer Regatta profitieren würde. Darum geht in diesem Blogartikel: Wie das Rennen mir geholfen hat, und wie es Ihnen helfen wird ein besserer Segler zu werden.

1. Sie lernen das Beste aus Ihrem Boot zu machen.
2. Sie lernen das Beste aus den Verhältnissen und dem Wetter zu machen.
3. Sie erweitern Ihre Komfortzone und werden ein besserer Skipper.

1. Das Boot.

Im Juli habe ich mich einer Freundesgruppe angeschlossen, um an der Gotland Runt Race teilzunehmen, ein Rennen auf offener See mit Start in Stockholm. Die Besatzung war eine Gruppe von zugleich entspannten, lustigen und sehr wettbewerbsfähigen Seglern. Es war eine intensive Erfahrung von 3 Tagen und 3 Nächten. Wir haben darüber gespaßt, dass während der ersten Nacht immer wieder dieselbe Frage aufkommt: „Was mach ich hier eigentlich?“. Ein Rennen, oder jede andere Art des Segelns auf hoher See, ist körperlich und mental anstrengend, was durch den Schlafmangel nochmals verstärkt wird. Aber wie immer, sobald wir die Ankunftslinie überquert hatten, haben wir sofort damit begonnen mit Begeisterung das Rennen im nächsten Jahr zu planen. Ein Freund hat mir eines Tages gesagt, dass es wie ein Kind zu bekommen ist: Die Erinnerung an den Schmerz und das Leiden verschwindet schnell und schon möchte man ein weiteres Kind bekommen.

Nach dem Rennen sind Andy, Mia, ihr 16 Monate altes Baby Axel und ich 3 Tage um den schwedischen Archipel gesegelt. Wir sind zwischen den Inseln umhergeschlendert, jeden Morgen schwimmen gewesen, haben gutes Essen genossen und uns entspannt.

Ich erinnere mich sehr gut an einen Nachmittag, an dem wir nicht weit entfernt an einem anderen Boot vorbei gefahren sind. Als der Wind drehte, haben wir unsere Unterhaltung kaum unterbrochen, ohne uns um die abnehmende Geschwindigkeit oder den Kurswechsel zu kümmern. Die andere Yacht, im Gegenteil, regelte hektisch seine Segel und profitierte ganz natürlich von der Konkurrenzfähigkeit unserer Nähe.

Innerhalb von wenigen Stunden hatten wir trotz deren Wasserlinienlänge und höheren potenziellen Geschwindigkeit einen erheblichen Vorsprung auf sie. Beim Betrachten unserer Segel und des Bootes wurde mir klar, wie viel wir in dieser Woche auf unserer Spica gelernt hatten. Wir hatten gelernt, wo die Traveller für jedes Segel platziert werden sollten, welche Verwindung, welchen Winkel zum Wind wählen für eine bessere VMG, der Krängungswinkel, die Wahl des Segels, wann man reffen sollte…. Anders gesagt, wir hatten gelernt die Leistungen bezüglich Sicherheit und Geschwindigkeit zu optimieren. Wir segelten mit dem Boot bei etwa 80 % seines vollen Leistungsvermögens, ohne einen Finger zu rühren und ohne, dass Axel dadurch in Gefahr geriet.

Was wir gelernt haben, hätten wir unmöglich in drei Tagen Langfahrt lernen können, was außerdem sehr unangenehm für die Nichtsegler an Bord (Axel) gewesen wäre, die nur ihre Ruhe haben wollen.
Sein Boot gut zu kennen, das ist die größte Einschränkung für jeden Eigner. Ich bin auf einem Outremer 45 bei 60 Knoten Wind im Nordatlantik mit durchschnittlich 12 Knoten Luvgeschwindigkeit gesegelt, um einem riesigen Tiefdruckgebiet aus dem Weg zu gehen. Ich denke aber, dass viele Outremer-Eigner nervös sind mit 20 Knoten Wind zu segeln und sich beim Gedanken an eine Überquerung von 60 Meilen an einem Tag überfordert fühlen.

Wenn Sie Ihr Boot bis an seine Grenzen gebracht haben, werden Sie zu einem zuverlässigeren Segler, weil Sie nicht mehr damit beschäftigt sein werden die richtigen Einstellungen herauszufinden. Wenn Sie einmal stärkere Winde als beim Langfahrtensegeln erlebt haben, wird die Entscheidung, die Segel zu reduzieren, für Sie leichter zu fallen sein. Sie werden die richtigen Segeltrimms abhängig vom Seegang kennen und über eine Vielzahl von hilfreichen Tipps verfügen, dank denen Sie sicherer segeln werden, wie z. B. die Einstellung der Schwerter oder die Beladung. Sie werden ein besseres Gefühl dafür bekommen bei welcher Geschwindigkeit das Boot jederzeit sicher segelt, und wie Sie das erreichen. Das hat oberste Wichtigkeit, vor allem, um dem schlechten Wetter zu entgehen, einen Schutzort zu erreichen oder etwa bei einem medizinischen Notfall.
Wenn es Sie reizt Rennen und Langfahrt, wie ich in Schweden gemacht habe, miteinander zu verbinden, dann empfehle ich Ihnen den Winter in den Antillen zu verbringen. Nachdem ich selber vier Winter lang von Insel zu Insel gesprungen bin, von einer Regatta zur nächsten, kann ich Ihnen folgendes versichern: Es ist das ideale Spielfeld, um zugleich Vertrauen bei Rennen und bei der Langfahrt aufzubauen.

2. Das Wetter.

„Muss man wirklich so ins Detail gehen?“ hat mich vor Kurzem ein Besatzungsmitglied gefragt. Wir waren gerade dabei den besten Kurs zu untersuchen, um die 75 Meilen zwischen Ibiza und Mallorca zu überqueren. Wofür der durchschnittliche Langfahrtsegler wahrscheinlich nur einige Minuten brauchen würde, haben wir mehrere Stunden gebraucht. Wir hatten die unterschiedlichen GRID-Datenmodelle mit den Polaren, die wir im Laufe der Segelwoche auf dem Boot gesammelt hatten, verglichen, um die Überquerung optimal zu planen.

Ich habe geantwortet: „Eine gute Planung macht den Unterschied zwischen einer korrekten, aber holprigen Langfahrtwoche mit Ihrer Familie aus und einer reibungslosen Woche, nach der alle Ihre Familienmitglieder wiederkommen möchten“.

Schlechte Langfahrtsegelerfahrungen mit der Familie sind gang und gäbe. Der Anker, der nachts verrutscht, die späte Ankunft am Hafen und die Unmöglichkeit einen Platz zu bekommen, die halbe Besatzung, die Seekrank ist – wir alle wissen, wie das läuft (aus Erfahrung!). Meine Eltern haben mir erzählt, dass sie den Anker in der Nähe der Ryde-Bank, im Vereinigten Königreich, geworfen hatten und dass sie sich wunderten, weshalb ihr Gin Tonic vom Tisch rutschte. Sie haben danach gemerkt, dass sie auf Grund saßen und dass sie warten mussten, bis die Tide um 4 Meter stieg, bevor sie weiterfahren konnten. Zum Glück hatten sie den Gin dabei.

Ich werde mich nicht weiter über das Wetter und die Daten auslassen, aber zusammenfassend kann man sagen, dass Regattas Ihnen nicht nur beibringen Ihr Boot besser zu betätigen, aber auch das Wetter besser zu verstehen und dementsprechend zu handeln. Dank der regelmäßigen und gründlichen Studie der Routen im Rennen können Sie bei einer Langfahrt die beste Trajektorie, die beste Windrichtung oder Bordseite, die zuerst genommen werden sollte, einfacher ausfindig machen. Das kann einen Unterschied von mehreren Stunden ausmachen – was bedeutet, dass Sie die ersten oder die letzten sein werden, die den nächsten Ankerplatz erreichen. Sie werden einen besseren Liegeplatz finden und riskieren nicht, gegen Felsen zu streifen. Sie haben das Steuer in der Hand!

 

3. Der Skipper.

Ich habe irgendwann in einem Buch über die Konzepte der „Komfortzone“, „Risikozone“ und „Panikzone“ gelesen und dann während meiner ganzen Karriere damit experimentiert. Es handelt sich um die drei Kreise, in denen wir handeln.

Als Lehrerin sollte man seine Schüler so oft wie möglich in ihre Risikozone zu bringen. Das ist die Zone, in der man die meisten Fortschritte macht. Die Panikzone gilt es, um jeden Preis zu vermeiden. Dort ziehen sich die Leute in sich selbst zurück und verlieren an Selbstbewusstsein. Im schlimmsten Fall kann es dazu kommen, dass die Schüler nie wieder segeln wollen. Die Komfortzone, wie der Name schon besagt, ist meistens die beliebteste Zone, in der man sich wohlfühlt. In diesem Bereich ist die Entwicklung langsamer, aber ideal, um Selbstbewusstsein aufzubauen.

Die „Panikzonen“ sind meistens immer dieselben. Ganz oben auf der Liste stehen die Bootsmanöver unter Motor in engen Raum, die Nutzung eines Spinnakers/Gennakers und das Segeln bei Starkwind.

Die Schüler beklagen oft, dass die Stimmung an Bord bei diesen Szenarien sehr stressig wird.

„Wie machen Sie das, um so ruhig zu bleiben?“ haben mich oft Schüler gefragt, während wir einen 4X bei 25 Knoten halbem Wind bei der Outremer Week festmachten.

„Sie sehen so entspannt aus, wenn Sie uns machen lassen“ bemerkten die Frauen, während ich sie den Code-0 bei 15-20 Knoten Wind installieren und setzen ließ.

Ich wusste nicht genau, was ich antworten sollte, und sagte: „Es ist möglich, das kommt mit der Übung“.
Bei näherer Betrachtung, bin ich wirklich entspannt? Oder bin ich eher wie ein Schwan: äußerlich ruhig, aber unter der Oberfläche hektisch im Stress paddelnd? Falls die Antwort ja lautet – ja, ich bin wirklich ruhig, dann stellt sich die Frage, weshalb? Wie?

Der Start der Sydney Hobart in 2017 war dafür ein interessanter Beweis. Das Video zeigte mich am Steuerrad, schweigsam, kaum bewegend, ruhig. Wohingegen jedoch der Monitor, den ich meine Brust trug, eine ganz andere Geschichte erzählte: Der Adrenalinschub und der Stress der letzten 10 Sekunden des Countdowns vor dem Rennstart hatten meinen Puls auf mehr als 180 Schläge pro Minute hochgetrieben.

Ich habe daraus geschlossen, dass ich (meistens) eine ruhige Skipperin und Leaderin bin, denn ich habe die letzten 10 Jahre meines Lebens damit verbracht an Regattas teilzunehmen. Dadurch habe ich den größten Teil meiner Karriere in meinen Risiko- und Panikzonen gehandelt. Bei einem Rennen rund um den Globus mitten im Ozean am Steuer zu sein, hat mir keine Gelegenheit gelassen, aufzugeben oder zu schweigen. Dadurch habe ich schnell gelernt mit Hochspannungssituationen umzugehen.

Meine Schüler sind dieser Tendenz gefolgt, genauso wie Sie auch, wenn Sie an einem Rennen teilnehmen. Sie werden diesen außergewöhnlichen Entwicklungs- und Lernrythmus in sehr zeitkritischen oder kompetitiven Umgebungen hautnah erleben. Bei einem Rennen können Sie diese Anspannung erleben und trotzdem dabei Spaß haben.

Regattas, genauso wie Langfahrten, sind nicht für jedermann. Aber die Erfahrung von beiden wird Sie ganz bestimmt zu einem rundum erfahrenen Segler machen. Die Langfahrt besänftigt den abgehärteten Regattasegler, und die Regatta fördert die Widerstandskraft und Kenntnisse des entspannten Langfahrtseglers. Wenn Sie ausführlicher darüber reden möchten, zögern Sie nicht, und kontaktieren Sie mich. Es gibt eine große Vielfalt an unterschiedlichen Rennarten – Küsten- und Hochseerennen, mit großem oder kleinem Boot – und ich würde ich freuen, Ihnen dabei zu helfen, auszumachen, welche am besten zu Ihnen passt, um Ihre Fähigkeiten bei Langfahrten zu verbessern.