Autorin: Nikki Henderson
Die Vendée Globe ist zweifellos das schwierigste Sportevent überhaupt: Es gibt weder Zwischenstopps noch Versorgung bei einer Einhandsegel-Weltreise.
Es ist ein Rennen der Extreme: kurze vom Segelwechsel unterbrochene Ruhezeiten, Kurseinstellungen oder Kurswechsel; eisige Gewässer und Winde des Südlichen Ozeans; fast unerträgliche Hitze bei den zwei Überquerungen des Äquators; unablässig zwischen 40 und 50 Knoten schwankende, tobende Windstöße; aber auch unbeständige Bedingungen mit Windstille in den Kalmen.
Es ist eine körperliche Herausforderung, aber die emotionale Ebene spielt bei solch einem Rennen ebenfalls eine große Rolle. Sie verbringen Monate, ohne Ihre Familie und Freunde zu sehen. Sie können ein Gefühl der Hilflosigkeit verspüren, wenn ein geliebter Mensch Sie braucht. Die Stimmung schwankt zwischen starken Emotionen: Tiefes Bedauern nach dem Treffen schlechter Entscheidungen, Glücksmomente, wenn Sie vorwärtskommen, Adrenalinschübe bei jeder Aktualisierung der Platzierung, auf eine harte Probe gestellte Instinkte, wenn Sie immer wieder aufs Neue versuchen den guten Willen von Mutter Natur vorherzusehen. Und natürlich ist da der „Einhand“-Aspekt: Wie behält man ein gesundes Gleichgewicht, um nicht in Einsamkeit zu versinken? Wie kommt man mit diesen inneren Stimmen und dem Mangel an Ablenkungen klar?
Da ich habe selbst an Rennen im Südlichen Ozean teilgenommen habe, habe
ich mich bereits in einem Zustand sowohl körperlicher als auch psychischer Verzweiflung befunden. Auch wenn mir bei dieser Erfahrung die Anwesenheit einer Besatzung von 20 Personen einen gewissen Lebenskomfort und Sicherheit verschaffte, kann ich mir nicht vorstellen, wie schwierig es bei einer Vendée Globe sein muss. Während ich diese Zeilen schreibe und mit meinem PC, der meine Oberschenkel wärmt, auf meinem Sofa sitze, bin ich so dankbar, mich nicht in dieser Lage zu befinden.
Und dennoch, als ich den Teilnehmern des Rennens zuschaute, wie sie in See stachen und die Startlinie der anstrengenden Reise, die sie erwartete, überquerten, überkam mich Neid. Neid auf dieses Gefühl der Erfüllung, das sie beim Überqueren dieser berühmten Ziellinie verspüren müssen. Und auf den überwältigenden Stolz, den sie bei der Ankunft empfinden werden.
Während ich zuschaue, wie die kleinen Boote auf dem Navigationssystem sich Richtung Süden bewegen, beneide ich sie um ihre Freiheit, die Abenteuer, die sie erleben werden, ihre Verbindung zur Natur und der Fauna, der sie begegnen werden, die Sonnenaufgänge und -untergänge.
Es ist ein sehr ambivalentes Gefühl, Angst und Verlangen zugleich. Es handelt sich um ein Konzept, das unter dem Namen „Typ 2 Spaß“ nicht nur in der Seglercommunity, sondern auch in der Outdoor- und Abenteurercommunity bekannt ist.
Eine der Eigenschaften, die etwas als „Typ 2 Spaß“ und nicht nur als „Nicht-Spaß“ eingestuft ist, dass trotz der Schwierigkeiten etwa 10 % der Momente so unglaublich sind, dass sie den Rest komplett in den Schatten stellen. Es sind die Momente, an die Sie sich erinnern. Dies ist es, was jeden Segler dazu antreibt, zum Leben auf den Ozeanen und zu den Launen von Mutter Natur zurückzukehren.
Als Ausbilderin ist mir aufgefallen, dass es eine Art Kunst gibt, um sicherzugehen, dass das Segeln sich für seinen Status als „Typ 2 Spaß“ qualifiziert. Wenn Sie sich täuschen, ist es sowohl im ersten Moment schlimm und schlimm im Rückblick. Wenn er einen Fehler macht, geht der Ausbilder das Risiko ein, den Schüler für immer so sehr zu verschrecken, dass er nie wieder segeln möchte. Ich habe oft Geschichten gehört, wie:
„Ja, ich habe das Segeln einmal versucht, aber …“
[Fügen Sie eine der folgenden Sätze ein:]
- man hat mich angeschrien und ich war nie wieder am Ruder.
- eine riesige Windböe hat uns umgekippt, ich hatte noch nie so große Angst.
- ich habe es nie wieder versucht, denn wir haben ein Boot gechartert und der Anker ist während der ersten Nacht abgerutscht, daher konnten wir nachts kein Auge schließen. Wir haben also ein Hotel gemietet und das Boot zurückgegeben
- ich war dermaßen seekrank, während dieser 24-stündigen Fahrt, dass wir früher zurückgekommen sind. Das hat mich auf alle Ewigkeiten abgeschreckt.
Und die Liste geht noch weiter.
Damit eine schwierige Lage sich (im Nachhinein) in Spaß verwandelt, sind die Folgen entscheidend. Die Folge muss positiv sein. Es muss ein Fest sein. Sie sollte in einem möglichst starken Kontrast zu dem Vorhergegangenen stehen.
Unentbehrlich nach einer regnerischen und modrigen Wanderung sind zum Beispiel ein warmes Bad und das Sitzen vor einem gemütlichen Feuer. Wenn Sie können, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um den Spinnaker nach einem schwierigen Kreuzen auf dem Wasser hochzuziehen, auch wenn es bedeutet die Fahrt um einige Stunden zu verlängern. Es lohnt sich immer. Das Bier am Kai wirkt Wunder, um die Demütigung einer „überstürzten Ankunft“ abzumildern. Und natürlich die kleinen Dinge, wie ein selbstgemachtes Essen nach den gefriergetrockneten Rationen, ein langer Moment nur für Sie alleine im Badezimmer nach Tagen mit kaputten Toiletten und Nutzung eines Eimers (wenn Sie Glück haben) oder einfach nur gute Musik nach einem angespannten Tag mit der Besatzung.
Genau heute vor einem Jahr (es ist tatsächlich auf den Tag genau ein Jahr her, an dem ich dies schreibe), erlebte ich einen der besten Tage, die ich auf See je hatte, und der das, was eine schreckliche Überfahrt hätte werden können, in eine der Besten, die ich je hatte, verwandelt hat. Es war am 12. Tag auf See mit La Vagabonde bei einer Überfahrt außerhalb der Saison. Ich schrieb folgendes in mein Logbuch:
„Welchen Unterschied ein einziger Tag ausmachen kann! Wären wir alle Blumen, dann sind wir heute aufgeblüht. Musik spielte, wir haben unsere Wäsche gewaschen, ein bisschen getanzt, ganz zu schweigen vom atemberaubenden Segeln.“
Es war nicht nur die Musik, die Verbundenheit zwischen den Besatzungsmitgliedern, die Sonne und der Schlaf – nur wunderschöne Dinge! – es war vor allem die Aneinanderreihung all dieser Elemente mit den Herausforderungen der letzten 12 Tage, die diesen Tag so besonders machten. Wir hatten fünf angespannte Tage am Wind gesegelt. Wir hatten die schlimmste je erlebte Segelwoche hinter uns; wir waren absichtlich mit kleiner Segelfläche unterwegs, um den Sturm Sebastian aus dem Weg zu gehen, in der Hoffnung, wieder an Geschwindigkeit zuzulegen und danach in den schwachen Winden zu segeln Die Fortschritte waren von erdrückender Langsamkeit. Langsam bis zum 12. Tag. An diesem Tag haben wir wieder begonnen uns zu bewegen! Im verbleibenden Drittel der Reise wurde die Luvgeschwindigkeit (Geschwindigkeit in die richtige Richtung) im Vergleich zu den ersten beiden Wochen im Durchschnitt mehr als verdoppelt. Wow, es war so schön!