Autorin: Nikki Henderson

Genderinklusion im Segeln ist ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Ich versuche schon seit mehreren Monaten diesen Artikel zu schreiben, was aber ein schwieriges Vorhaben ist. Die Frage zu beantworten, wie man mehr Frauen zum Segeln animieren kann, ist ein breites Thema. Ich könnte wahrscheinlich eine Dissertation mit dem folgenden Titel schreiben: „Ist das rein weibliche Segeln konstruktiv oder kontraproduktiv, um das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern innerhalb der Segelcommunity auszugleichen?“ 1.500 Wörter zu dem Thema reichen einfach nicht aus.

 

Zudem handelt es sich hier um ein zutiefst persönliches Thema, das mir besonders nahe geht. Meine Beziehung zum Frauensegeln ist relativ zwiegespalten: Einerseits war es grundlegend für den Verlauf meiner Karriere und ohne dieses würde ich nicht dort stehen, wo ich heute bin; andererseits hat es manchmal einen Einfluss auf mein Selbstbewusstsein und meinen Ruf gehabt. Ich befürchtete, dass meine Erfahrungen mit reinen Frauenbesatzungen weniger respektiert würden oder eine geringere Qualität hätten, als wenn ich mit Männern an Bord gesegelt wäre.

Viele meiner Kollegen, Männer und Frauen, teilen diese Hassliebe zum weiblichen Segeln, was zu Kontroversen führen kann. Egal wie leid wir dieser Diskussion und wie optimistisch wir sind, das bald der Tag eintritt, an dem wir nicht mehr so viel Energie aufbringen müssen, um die Inklusion der Frauen zu fördern: Zur Zeit können wir diese Frage nicht beiseiteschieben. Es besteht immer noch ein starkes Ungleichgewicht zwischen Männer und Frauen in der Segelindustrie sowie in der Community der Blauwassersegler – ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern nicht nur auf der Ebene der Beteiligung, sondern auch im Bereich des Leaderships. Noch zu selten begegnet man einer Skipperin, Bootseignerin, Schulungsleiterin oder Kapitänin.

Ob Sie nun der Meinung sind, dass reine Frauenbesatzungen zu bilden eine gute Idee ist oder nicht, Frauensegeln liegt im Trend. Daher bin ich der Meinung, dass es mehr Sinn macht zu versuchen zum Erfolg solcher Initiativen beizutragen, als meine kostbaren 1.500 Wörter dafür aufzuwenden, mich zu rechtfertigen oder zu kritisieren.

Ausgehend von meinen positiven und negativen Erfahrungen mit zu 100 % aus Frauen bestehenden Besatzungen, als Studentin, Besatzungsmitglied, berufliche Skipperin und Schulungsleiterin, sind hier einige Elemente, die man meiner Meinung nach in Betracht ziehen sollte, bevor man sich für eine rein weibliche Besatzung oder Schulung entscheidet. Ich hoffe, dass das Konzept Sie (oder Ihre Freundin/Partnerin/Familie) dazu ermutigt, diesen Schritt zu wagen. Ich kann Ihnen versichern, dass es sich um eine freundschaftliche, konstruktive und positive Erfahrung für Sie und alle beteiligten Personen handelt.

Fragen, die man sich stellen sollte, bevor man eine exklusiv für Frauen reservierte Segelerfahrung machen möchte:

 

1. Weshalb möchte ich mit Frauen zusammen segeln?

Leider ist eine geläufige Kritik an reinen Frauenteams, dass sie negativ, pessimistisch und anti-männlich seien und dass sich die Frauen über die Männer beschweren würden.

In Wahrheit entsprechen nur wenige Personen dem Stereotyp der Frau, die sich beschwert und Männer verabscheut. Mit den meisten ausschließlich weiblichen Teams, in denen ich Mitglied war, habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht.

Um Euch ein Beispiel zu geben: Ich habe im letzten Juni mit einer Schulungskollegin eine Frauengruppe bei einem Wochenende in La Grande Motte im Rahmen eines „Ladies Only Segelkurs“ geschult. Am ersten Morgen haben wir uns bei Kaffee und Croissants über unsere Motivationen zu diesem Kurs ausgetauscht. Die Antworten waren typisch für Frauen, die an solchen Kursen teilnehmen:
„Ich bin Anfängerin und dachte, es wäre einfacher für mich, meine Verletzlichkeit umgeben von anderen Frauen zu zeigen.“

„Ich bin immer nur mit meinem Mann gesegelt und niemals nur mit Frauen, daher wollte ich diese unterschiedliche Dynamik einmal austesten.“

„Ich dachte, es wäre lustig, ein Wochenende unter Mädels zu verbringen und neue Freundschaften mit anderen Bootseignerinen zu knüpfen.“

„Ich hatte in der Vergangenheit mehrere schlimme Segelerfahrungen, bei denen ich das Gefühl hatte in einer schwierigen Lage festzustecken. Ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, um aus dieser Rolle auszusteigen und etwas Neues zu versuchen.“

„Ich war mir nicht sicher, ob es nur Frauen geben würde – es war die Idee meines Mannes. Er dachte, dass es mir helfen würde, die Dinge mehr in die Hand zu nehmen.“

„Ich mag die ruhige Atmosphäre und Unterstützung, die oft mit einer Schulung nur für Frauen einhergehen. Ich dachte, es sei vielleicht entspannter und wollte daher mein Glück versuchen.“

Ich ermutige alle Frauen, bevor Sie sich in einen für Frauen reservierten Kurs einschreiben, sich zu vergewissern, dass sie mit einer positiven und konstruktiven Einstellung teilnehmen. Nur mit Frauen zu segeln entsprach all ihren Erwartungen: solidarisch, unterhaltsam, ruhig, befähigend und ausgeglichen. Die Wahl zu treffen, mit anderen Frauen zu segeln, ist nicht unbedingt eine Männerfrage: Es geht darum es zu schätzen, mit Frauen zu segeln, und alles, was damit zusammenhängt!

2. Welche Art von Frauen wird das ansprechen?

Die besten weiblichen Besatzungen, in denen ich Mitglied war, waren diejenigen, die sich durch ergänzende Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen auszeichneten. Wenn sie sich gegenseitig schulen ist es einfacher, eine Harmonie zu finden, und der Lernwunsch steht im Vordergrund. Bei Wettrennen macht es mehr Spaß, wenn die Mitglieder der Besatzung alle gleich wettbewerbsfähig sind. Bei einer Langfahrt ist das Leben an Bord einfacher, wenn die Besatzungsmitglieder dieselben Werte bezüglich ihrer Privatsphäre und Entspannung teilen. Das bedeutet nicht, dass die Besatzungen nicht aus Mitgliedern unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten und Altersgruppen bestehen können – das ergibt sogar meistens eine interessantere und dynamischere Umgebung – sondern eher, dass sie aus ähnlichen Gründen teilnehmen sollten (siehe Frage 1!)

Das weckt Erinnerungen an eine Langfahrt, die ich vor vielen Jahren in den Grenadinen unternommen habe. Neben mir waren noch vier andere Frauen an Bord. Alles Unbekannte. Und das Verkaufsteam der Langfahrt hatte es versäumt einige Punkte zu präzisieren.

Besatzungsmitglied 1: Schrieb sich für zwei Lernwochen ein und hoffte, Yachtmeisterin zu werden. Wollte nachts segeln und am Tag theoretische Kurse besuchen.

Besatzungsmitglied 2: Schrieb sich für zwei Urlaubswochen weit weg vom Trubel ein. Träumte von weißen Sandstränden, Büchern und Ankerplätzen in absoluter Ruhe.

Besatzungsmitglied 3: Schrieb sich für eine erste Segelerfahrung ein, nachdem ihr versprochen wurde, dass praktische Windstille und perfekte Bedingungen für Anfänger herrschen würden. (Die Karibik hat zu dieser Jahreszeit meistens eine Dünung von 1 bis 2 Metern und einen stetigen Wind von 20 Knoten).

Besatzungsmitglied 4: Schrieb sich ein, um im Urlaub zu feiern – Cocktails im Sonnenuntergang, bis zum Ende der Nacht Tanzen und ruhige Tage zum Erholen.

Zugegeben ein etwas extremes Beispiel, das Ihnen aber hoffentlich veranschaulicht, wie wichtig es ist, nicht nur den Aspekt der Exklusivität für Frauen in den Blick zu nehmen, sondern sich zu vergewissern, dass Sie sich in die richtige Segelprogrammart einschreiben, mit den richtigen Personen an Bord, deren Erwartungen mit Ihren übereinstimmen.

 

3. Wer ist die Skipperin oder Schulungsleiterin?

Am Jahresanfang begab ich mich auf die Kais, um die Besatzung meiner „Ladies Only“ Schulung kennenzulernen. Ich bin auf Mark, Miteigner eines Outremer 55, und seine Frau Marijke gestoßen. Er hatte vom Kurs gehört und sagte zu mir:

„Nikki. Ich wollte an dem Schulungswochenende nur für Frauen mitmachen, durfte es aber nicht. Das erscheint mir nicht fair. Ich würde so gerne mitmachen und mit Euch lernen.“
„Soweit ich letztens überprüft habe, Mark, bist Du keine Frau!“ habe ich lächelnd geantwortet.
Als ich mich entfernte, überkam mich das schlechte Gewissen wegen meiner Antwort. Mir wurde klar, dass er nicht über den spezifisch weiblichen Aspekt der Besatzung sprach, sondern über die Skipperin, was sehr schmeichelhaft war!

Die Skipperin oder die Schulungsleiterin, die Ihnen gegenübersteht, hat mehr Einfluss als jeder andere an Bord. Sie beeinflussen die Stimmung, die Atmosphäre, die tolerierten Verhaltensweisen, einfach alles. Daher sind sie in der Lage- ebenso wie die Besatzungsmitglieder – Ihre Segelerfahrung zu einem positiven oder negativen Erlebnis zu machen. Ich kann nur betonen, wie wichtig es ist zu recherchieren, bevor Sie sich bei einem Event einschreiben, den Empfehlungen eines Freundes/einer Freundin zu folgen, über eine Firma zu gehen oder ein Unternehmen wie Outremer zu wählen, das professionelle qualifizierte Skipper-Leistungen anbietet.

Es ist ebenfalls wichtig zu betonen, dass ich davon überzeugt bin, dass, wenn Sie an einem Event für Frauen teilnehmen, die leitende Person ebenfalls eine Frau sein sollte. Frauen sind spezifisch für die weibliche Dynamik da, während ein männlicher Trainer die „rein weibliche“ Seite der Erfahrung ganz klar mindern würde. Das heißt nicht, dass die Erfahrung weniger gut wäre, aber sie wäre ganz bestimmt nicht so immersiv und intensiv.

4. Um welche Bootsart handelt es sich?

Die Art des Bootes, auf dem Sie segeln, ist ein weiterer Faktor, der Ihre Segelerfahrung mit anderen Frauen positiv oder negativ gestalten kann. Das Segeln ist ein körperlich sehr anstrengender Sport, der besonders den Oberkörper und die zentrale Kraft beansprucht. Die Boote können so gebaut werden, dass Sie weniger auf rohe Kraft, Größe und Gewicht zurückgreifen. Sie sind im Gegenteil konzipiert, um eine gute Technik, eine gute Stellung und gutes Timing zu fördern. Diese Bootsart ist vorzuziehen, wenn Sie sich in einen Frauenkurs einschreiben.

Es gibt eine unendliche Liste an Modellen und Marken von unterschiedlichen Yachten, und hier ist nicht der Ort, um diese alle durchzugehen. Wenn Sie nicht viel Ahnung von den Konzeptionsunterschieden haben, gibt es einige gute Hinweise, die Ihnen helfen können:

  • Gibt es auf der Website Fotos von Frauen, die auf den Booten segeln?
  • Ist auf der Website ein Text, indem steht, ob die Boote gebaut wurden, um auf Frauen abgestimmt zu sein?
  • Welches ist die Größe des Bootes? Falls es mehr als 40 Fuß lang ist, gibt es an Bord elektronische Winden, um Sie zu unterstützen?
  • Wurde das Boot kürzlich gebaut? Modernere Boote nutzen meist Materialien, die eine besseres Resistenz-Gewicht-Verhältnis aufweisen, was bedeutet, dass auch nicht so starke Personen die Segel setzen und an den Tauen ziehen können!
  • Ist das Boot fürs Blauwasser- oder das Langfahrtsegeln gedacht? Ein fürs Blauwassersegeln gebautes Boot ist ergonomischer und beständiger, weist eine bessere Balance auf und verfügt über Ausrüstungen in besserer Qualität, die einfacher zu bedienen sind.
5. Was erhoffe ich mir von dieser Erfahrung?

Ein letzter kurzer Punkt: Bestimmen Sie im vor der Abfahrt, was Sie wollen, und fragen Sie danach! Als Skipperin und Schulungsleiterin ist es viel einfacher das Segeln an die Besatzung anzupassen, wenn diese sich über ihre Erwartungen im Klaren ist. Seien Sie daher direkt, und verschaffen Sie sich Gehör. Und wenn Sie nicht das erhalten, was Sie suchten, warten Sie nicht bis zum Ende, um es zu sagen!