Autorin: Nikki Henderson

 

Für die meisten Profisegler steht der Winter für warme, feuchte und windige Regatten in den Antillen. Leider hat Corona die Terminkalender von 2020 etwas auf den Kopf gestellt. Ich hatte aber das Glück, Kurs nach Westen setzen zu können: Ich habe einen Monat lang Swan 48’ und 59’ von 59-North gewartet und ihren Umstieg auf kommerziell genutzte Hochseeschiffe oder NUCs (fachsprachlich „CAT-0“ unter britischen Vorschriften) betreut.

 

Falls Sie die Marke Swan noch nicht kennen, es handelt sich um eine der emblematischsten Monohull-Werften, die für ihre Bauten mit femininen Designs und ihr Know-how bekannt ist. Allerdings wurden die Boote nicht gebaut, um sich den verbreiteten Geschäftsanforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen, z.B. das Erfordernis von wasserdichten Schotten, was meinen Arbeitsmonat am Ankerplatz erklärt. Für alle die schon einen Outremer besitzen, kann ich bekräftigen, dass diese Schotten wirklich jede Arbeitsstunde beim Bau Ihres Katamarans Wert sind, denn sie Jahrzehnte später einzubauen ist keine einfache Angelegenheit! (Die Mission wurde übrigens erfolgreich erledigt.)

 

Ich durfte nicht nur letzten Monat auf See arbeiten, sondern ich wurde auch eingeladen das Leben auf einem Langfahrtboot zu entdecken: An den Tagen, an denen ich nicht im Motorraum Verrenkungen machen musste, um wegen eines Lecks (das zu spät entdeckt wurde) mit einer Saugpumpe das Wasser abzulassen oder andere ebenso verschmutzenden Aufgaben zu meistern hatte. Sie wären vielleicht überrascht zu erfahren, dass ich, obwohl ich einen großen Teil der letzten zehn Jahre auf See verbracht habe, noch so gut wie nie das Langfahrtleben erlebt habe. Die seltenen Momente, an denen ich einen Abend am Ankerplatz verbrachte, hatte ich immer mehrere Funktionen innegehabt: Hochseeseglerin – ich beobachtete nicht den Sonnenuntergang, sondern die Art und Weise, wie sich der Wind um einen Kurs drehte; oder Segellehrerin – ich suchte nicht nach dem Strand, sondern nach den Orientierungspunkten für eine Drei-Punkt-Peilung; Skipperin – die „enthaltsame Kapitänin“ meiner Besatzung.

 

Im Vergleich zu Europa war die in Antigua versammelte Segler-Community im Februar dieses Jahres geradezu in Hochstimmung. Hunderte von Familien, Paare und Freunde, die sich in der glücklichen Lage befanden, wählen zu können, hatten die wagemutige aber völlig verständliche Entscheidung getroffen, die europäische Quarantäne zu verlassen, um die frische und reine Luft, das kristallklare Wasser und den wohltuenden Sonnenschein der Antillen aufzusuchen. Unter ihnen befand sich eine Gruppe alter Freunde von mir: Lance und Claire, alte Freunde von der Clipper Race auf ihrer Expeditionsyacht aus Stahl; Nigel und Sally, die Eltern eines meiner guten alten Schulfreunde von früher an Bord ihres Oyster 72; Riley, Elayna und Lenny auf dem Outremer 45 La Vagabonde; und vier britische Teenager im Gap Year. Dieses Wiedersehen ist der Beweis dafür, dass die Segler-Community warmherzig und offen ist.

 

Nach 14 Tagen Quarantäne habe ich mich La Vagabonde angeschlossen für eine (sehr) kurze Segelfahrt zwischen Falmouth Harbour und English Harbour. Wir haben gegenüber von Galleon Beach den Anker geworfen und waren in bester Gesellschaft mit drei, vier anderen Outremers, die es sich nicht nehmen ließen, in ihre Beiboote zu springen und uns zuzurufen: „Hallo! Wir schauen uns alle Ihre Videos an“. Ich habe natürlich gelächelt und zurückgegrüßt, auch wenn hauptsächlich Lenny damit gemeint war. 😉

 

Während wir im Cockpit saßen und wir die wunderschöne Umgebung betrachteten, konnte ich nicht anders, als mich überwältigt zu fühlen. Nach zwei Wochen unter dem Deck eines alten Monohulls aus dunklem Holz war der Kontrast verblüffend. Es war wie, wenn man von einer eingeräucherten Taverne, in der man auf einem alten Ledersofa einen Manhattan trinkt, zu einem Barhocker eines minimalistischen und ultramodernen Hotels, in dem man genüsslich einen Martini trinkt, wechselt.

 

Ich hatte vor diesen Blogartikel über den Übergang vom Monohull zum Multihull zu schreiben und eigentlich erwartet, dass der Großteil dieses Artikels dem Abdriften, der fehlenden Krängung und den nicht vorhandenen Steuergefühlen gewidmet sein würde und wie das Leben mit einem zusätzlichen „Maran“ so ist, wie Riley und ich zu spaßen pflegten. Dennoch verbringen die meisten Eigner etwa 90 % ihrer Zeit entweder am Ankerplatz oder in einer Marina, und höchstens 10 % oder 20 % auf See, in der Krängung und unter Einfluss der „Marans“. Diese erste Langfahrtsegelerfahrung war somit von entscheidender Bedeutung, um mir beim Schreiben dieses Artikels zu helfen.

 

Der größte Unterschied zwischen einem Monohull und einem Multihull ist, dass das Alltagsleben ein oder zwei Etagen dazugewinnt. Die Anordnung von Bereichen, Räumen und die Bewegungsabläufe von Menschen sind essenziell, um eine Behausung zu definieren. Das Herzstück eines Hauses bestimmt, wie Bewohner und Gäste ihre Zeit verbringen. Für die Langfahrt-Segler oder diejenigen, die an Bord leben, hat dieser Höhenunterschied des Cockpits einen Einfluss auf das gesamte Erlebnis an Bord.

In erster Linie: das Leben unter den Tropen. Es sei denn man befindet sich auf einer mehrstöckigen, klimatisierten Yacht, dreht sich das Leben auf einem Monohull bei heißem Wetter hauptsächlich um das Cockpit. Die Menschen möchten den wunderschönen Ausblick und die kühle Brise genießen und gleichzeitig die stickige Küche, den dunklen Salon und die schwitzenden Leute im Decksalon meiden. An Bord eines Multihulls ist es das Gegenteil. Der offene Lebensstil bedeutet, dass Ihr alle zusammen an der frischen Luft seid – der Koch in seiner Küche, der Segler am Kartentisch, die Kinder spielen auf den Netzen, die Gäste trinken Cocktails und sogar die Seetaucher auf den hinteren Rümpfen. Nebenbei bemerkt: nicht gerade günstig, um Zwiebeln zu schneiden. Das unterscheidet sich sehr von einem Monohull, wo sich der Alltag nur auf und unter dem Deck abspielt. Nicht selten passiert es, dass sich jemand von einem guten Gespräch beim Abendessen oder einem Segelmanöver in die Abgeschiedenheit der Küche verzieht, was den Abendablauf sehr beeinträchtigen kann. Der endlose Horizont auf See kann mehr als nur soziale Auswirkungen haben und möglicherweise zu einem rapiden Ausbruch von Seekrankheit führen.

 

Unsere Atlantiküberquerung im November 2019 war bei weitem nicht tropisch – aus eigener Erfahrung kann ich nur bestätigen, dass an Bord eines Outremer 45 das Herz des Hauses auch bei kaltem Wetter dasselbe bleibt. Das Meereswasser kühlte die Rümpfe, während die heiße Luft nach oben stieg. Dadurch wurde der Decksalon zum wärmsten Ort. Deshalb konnten wir alle – Köche, Segler, Babys und Passagiere – Zeit zusammen verbringen: Elayna spielte mit Lenny, Riley überprüfte das Wetter, Greta rührte in der Suppe, Svante und ich unterhielten uns über das Leben in unseren weitentfernten Ländern. Es war sogar einfach mehrere Dinge gleichzeitig zu machen; dank der großen Fenster und dem erhöhten Ausblick konnten wir alles im Blick behalten, auch wenn man nicht an der Reihe für die Wache war. Rotleuchtende Sonnenuntergänge, ein klarer Sonnenaufgang (trotz des Regens im Morgengrauen), Böen, Wasserspritzen der Wale, 6 Meter hohe Wellen – Sie können alles ganz bequem im Schlafanzug beobachten. Im Winter ist ein Monohull wunderbar gemütlich. Meine Erinnerungen an heiße Schokolade, Kartenspiele mit Freunden, alle dicht aneinander gekuschelt auf dem kleinen Sofa im Wohnzimmer werden für immer in meinem Herzen bleiben. Das sind kostbare Erinnerungen, aber ich kann Ihnen nichts über die Wetterbedingungen oder was der Skipper genau machte, erzählen.

 

„Sie sind perfekt für ein gemeinsames Essen, aber man hat nicht dasselbe Gefühl unter Segeln, oder?“ sagte Nigel, als wir die ewige Debatte Mono gegen Multi eröffneten. Nigel ist ein von Monohulls überzeugter Segelfan, etwa sechzig Jahre alt und hat in den letzten 25 Jahren sechs Boote besessen – alles Monohulls- und ich denke nicht, dass er irgendwann umsteigen wird. Aber ich habe es immerhin versucht!

 

„Ich glaube du wärst überrascht“, habe ich geantwortet. „Auch wenn es Schwierigkeiten hätte mit einem gut eingestelltem Regatten-Monohull zu rivalisieren, würde es beim Kreuzen in Sachen Winkel und Geschwindigkeit mit Sicherheit jedes Massenproduktions-Langfahrt-Monohull schlagen. Außerdem ist die Luvgeschwindigkeit unvergleichlich. „Ich überlasse es den Outremer-Spezialisten, detaillierter über die Zahlen zu sprechen, aber das Gespräch über Geschwindigkeit und Winkel überrascht oft Segler, die Monohulls gewöhnt sind. Katamarane sind dafür bekannt beim Kreuzen eher schlecht zu sein, aber meiner Meinung nach widerlegen Outremers und andere Leistungskatamarane mit schmalen Rümpfen sowie leichten und festen Strukturen diese Theorie.

Ich fügte hinzu: „Um ehrlich zu sein, würde ich keinen Katamaran kaufen, um am Wind zu segeln. Wenn dann würde ich im Wind segeln. Um Vorwind ähnliche Geschwindigkeiten auf einem Monohull zu erreichen – wenn man regelmäßig mit 20 oder 25 Knoten surft – wären meiner Meinung nach das erforderliche Leistungsniveau, die benötigte Segelfläche und technischen Eigenschaften sehr viel höher. Geschwindigkeit scheint mir weniger erreichbar mit einem Monohull. »

 

Der Übergang vom Segeln mit einem Monohull zum Segeln mit einem Multihull ist nicht besonders schwierig. Allerdings ist es wichtig die potenzielle Leistung zu berücksichtigen, die ein Multihull (Typ Katamaran) erbringen kann. Ich würde empfehlen bei der ersten Reise einen Segler mit Multihull-Erfahrung für ein, zwei Wochen mit an Bord zu nehmen, um Sie in die richtige Richtung zu lenken. Meine erste Überquerung an Bord eines Multihulls fand an Bord der La Vagabonde statt. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen: Das genaue Gegenteil von dem, was ich Ihnen hier empfehle. Es ist kein unmöglicher Sprung, wenn man Monohulls gewöhnt ist, aber seien Sie trotzdem vorsichtig.

 

Der Hauptunterschied zwischen einem Mono- und Multihull ist, dass die vom Boot übermittelten Signale weniger eindeutig sind. Auf einem Katamaran gibt es zum Beispiel keine klaren Zeichen, dass Sie übertakelt sind, wie zu viel Gewicht am Steuerrad oder wenn das Boot anluvt. Mit zu viel Segelfläche zu segeln kann ein Sicherheitsproblem darstellen und deshalb rate ich dazu sich am Anfang Ratschläge einzuholen, um Ihnen zu helfen die Verhaltensweisen Ihres Bootes zu interpretieren. Im Laufe der Zeit werden Sie lernen auf andere Elemente zu achten: die Windgeschwindigkeit, das Driften, das Stampfen (Tauchen der Vordersteven unter?) und ein besseres Empfinden für die Aggressivität, mit der das Boot nach vorne beschleunigt, entwickeln. Das alles ist weniger beeindruckend, als es scheint. Die Lernkurve ist ohne Zweifel langsam und man braucht ein wenig Geduld, aber der Vorteil ist, dass man in der Lernphase erstaunlich trocken bleibt und man mit deutlich weniger blauen Flecken in den Hafen zurückkehrt!

 

Nigel hat über meine Antwort nachgedacht und mir dann, für ein Gespräch dieser Art, eine typische Antwort gegeben.
„Du hast bestimmt recht. Es gibt doch nicht besseres als die Krängung des Bootes zu spüren, das Schnurren des Rumpfes, das Wasser mit so viel Geschmeidigkeit zu durchschneiden, wie es nur ein Monohull kann.“

 

Die Debatte Monohull/Multihull ist ein beliebtes Gesprächsthema zwischen Seglern. Aber nur wenige von ihnen sind schon einmal sowohl mit einem Monohull als auch mit einem Multihull gesegelt. Und wenn dann ganz bestimmt nicht an vergleichbaren Momenten ihres Lebens, in denen sie ähnliche Eigenschaften von ihrem Boot verlangten. Dieser letzte Punkt ist der Schlüssel zur Entscheidung zum Kauf eines Monohulls oder Multihulls, genauso wie wenn Sie sich zum Kauf eines Hauses entscheiden: Welchen Zweck soll es erfüllen?

 

Wenn ich allein oder mit meinem Partner ein Boot kaufen wollte, würde ich wie Nigel dazu tendieren einen Monohull zu wählen, denn ich bin auf solch einem Boot groß geworden. Die Erfahrung der Krängung, die Verbindung, die ich durch die Schräglage spüre, die Rundungen des Rumpfs und die sanften Bewegungen des Bootes, das Gleiten des Kiels im Wasser und das Salzwasser auf der Haut – es sind Dinge, die ich im Unterbewusstsein mit einer gelungenen Segelerfahrung verbinde. Dann bin ich am glücklichsten.

 

Wenn ich allerdings vorhätte, jahrelang an Bord eines Segelbootes zu leben und eine Weltreise mit kleinen Kindern oder älteren Angehörigen zu machen, oder zahlreiche Freunde, die noch nie gesegelt sind, für eine entspannte Langfahrt einzuladen, würde ich ernsthaft überlegen dies mit einem Multihull zu machen. Umso mehr, wenn ich die Möglichkeit hätte mit achterlichem Wind und bei ruhiger See zu segeln. Die Möglichkeit jeden Tag Durchschnittsgeschwindigkeiten von 11 oder 12 Knoten zu erreichen und großen Stürmen aus dem Weg zu gehen, und dabei auf einem relativ stabilen Boot zu leben und meine Kinder weiterhin über Fernunterricht zu schulen, wäre die sicherste Lösung. Das wäre auch für das Wohlbefinden aller Beteiligten besser. Das verminderte Schlingern am Ankerplatz, der Platz auf den Trampolinen zum Sonnenbaden und nicht eine sondern gleich zwei Badeplattformen sind alles Dinge, die für einen gelungenen „Urlaub“ sorgen. Wenn ich das Budget hätte, könnte ich jederzeit noch eine kleine Jolle auf die Davits festmachen, um ab und zu die Krängung zu erleben!

 

Zusammengefasst, für alle die darüber nachdenken von einem Monohull zu einem Multihull zu wechseln, mein letzter Ratschlag oder meine letzte Überlegung wäre dieselbe wie beim Kauf von Kleidung, Deko fürs Haus oder bei der Wahl eines neuen Hobbys: Urteilen Sie nicht bevor sie es ausprobiert haben. Vielleicht werden Sie positiv überrascht sein.